Nachlese der Bezirksvertretungssitzung vom 24.09.2014

Die Bezirksvertretungssitzung vom 24. September 2014 dauerte lang. Von 17 bis 24 Uhr wurde u.a. der bevorstehende Verkauf des Palais Strozzi durch die BIG, die Begegnungszone Lange Gasse, eine Leerstandsabgabe für Geschäftslokale, das AnrainerInnenparken, der Lückenschluss im Radwegnetz, die Baustelle am Hamerlingpark und der zugeparkte Eingang zum Spielplatz Bennoplatz diskutiert.

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Palais Strozzi: Privatisierung durch die Hintertüre

Oft verkündet, nie erreicht: die Forderung nach einer dauerhaften Öffnung der Grünflächen im Palais Strozzi begleitet die Josefstädter Bezirkspolitik wie ATV den Lugner. Jetzt bekommt die Diskussion eine unerfreuliche Wendung: das ehrwürdige Palais im Herzen der Josefstadt soll verkauft- und zu luxuriösen Wohnungen umgebaut werden. Meine Wortmeldung sorgte für überraschte Gesichter: „Die Austrian Real Estate Developement, (…) eine 100%-ige Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft, beabsichtigt, 51% einer (…) noch zu gründenden „Palais Strozzi GmbH & Co. KG“ zu veräußern.“ Kaufinteressenten die „in der Errichtung (…) von Wohnbauten versiert sind“ werden eingeladen, am Bieterverfahren teilzunehmen.

Bum. Was wir schon seit längerem befürchtet hatten, scheint jetzt Realität zu werden: das altehrwürdige Palais im Herzen der Josefstadt wird – nach dem Modell des kartographischen Instituts am Hamerlingpark – durch die Hintertüre privatisiert und zu Luxuswohnungen umgebaut. Das müssen wir verhindern! Vor allem, weil es eine echte Alternative zum Verkauf gibt: die Bundesbildungsanstalt für Kindergartenpädagogik (BAKIP8) zieht aus ihren – ebenfalls von der BIG verwalteten – Immobilien in der Lange Gasse und Albertgasse aus und übersiedelt ins Palais Strozzi. Niemand wird sich groß aufregen, wenn aus diesen Immobilien Wohnungen werden und die BAKIP ihre verstreuten Standorte mit 700 SchülerInnen samt angeschlossenen Übungskindergärten im Palais Strozzi zusammenlegen kann! Wir haben dazu eine Presseaussendung verfasst und offene Briefe an den Finanzminister, die Bildungsministerin, die Familienministerin und die BIG verschickt.

Leerstandabgabe für lebendige Erdgeschoßzonen

Lebendige Erdgeschoßzonen tragen wesentlich zur Lebensqualität in der Stadt bei. Es macht einen Unterschied („broken windows theory“) ob eine Erdgeschoßzone aus leerstehenden Geschäften, Garageneinfahrten oder zugeklebten Fensterscheiben besteht, oder aus florierenden, pulsierenden Geschäften oder Straßenbüros. Während die ÖVP fleißig Kleingaragen (wie zuletzt in der Lerchenfelderstraße und Lange Gasse) genehmigt und damit lebendigen Erdgeschoßzonen zerstört oder verhindert, richtet sie einen Antrag an die Stadt Wien, wie viel Geld diese gedenkt, in die Sanierung der Erdgeschoßzonen zu investieren. Süß. Da wettert die ÖVP gegen die Mariahilferstraße neu, unternimmt alles um eine Belebung der Lange Gasse zu verhindern und dann fragt sie die Stadt, wann wir in der Josefstadt auch so was bekommen! Den Antrag haben wir gerne unterstützt und vermuten, dass in der Antwort die geplanten Investitionen der Stadt in die Flaniermeile, die durch die Lange Gasse führen soll, erwähnt werden. Wir machen das anders: keine neuen Kleingaragen in Geschäftsstraßen, eine Leerstandsabgabe für Geschäftslokale, die länger als 12 Monate leer stehen und eine Begegnungszone in der Lange Gasse! Für eine Leerstandsabgabe haben wir einen Resolutionsantrag eingebracht, der mehrheitlich – gegen die Stimmen der ÖVP – angenommen wurde! Damit unterstützen wir auch eine Forderung der IG Kultur.

AnrainerInnenparken

Thema der Sitzung war auch das AnrainerInnenparken im Bezirk. Prinzipiell unterstützen wir diese Möglichkeit, Stellplätze für ParkpickerlbesitzerInnen zu reservieren. Auch wenn sich die Fraktionen im Bezirk über diese Frage einig sind, scheinen die Motivationen dafür doch recht unterschiedlich zu sein: die ÖVP will einfach mehr Parkplätze schaffen. Es gäbe 8500 angemeldete Autos im Bezirk, aber nur 6000 öffentliche Parkplätze, also braucht die Josefstadt – laut ÖVP – mehr Parkplätze im öffentlichen Raum, neue Volksgaragen und 1000 AnrainerInnenparkplätze. Wir Grüne sehen das AnrainerInnenparken als Möglichkeit, öffentlichen Raum für andere Verwendungszwecke zurückzugewinnen. Die Zahl der angemeldeten Kraftfahrzeuge in der Josefstadt nimmt jährlich um 50 ab, die Zahl der privaten Kleingaragen steigt jährlich um zumindest die gleiche Zahl. Da ist auch der Fehler in der ÖVP-Rechnung: es existieren keine Zahlen darüber, wie viele private Innenhof- und Garagenstellplätze es in der Josefstadt gibt. Auch AnrainerInnenparken kostet Platz und Geld: für die 50 Zonen die nun ausgewiesen werden sollen, braucht es rund 100 Schilder, die (selbstverständlich) am Gehsteig stehen und – ganz nebenbei – eine Menge Geld kosten. Pro Schild wird mit rund € 700 gerechnet. Daher haben wir den Vorschlag gemacht, pro 5 geschaffener AnrainerInnenstellplätze einen Parkplatz in einen virtuellen Korb zu geben und bei Projekten, die Stellplätze kosten, diese Parkplätze aus diesem virtuellen Korb zu entnehmen. Ja – das erfordert etwas Phantasie und die Diskussion hat gezeigt, dass die ÖVP die Idee nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. Unser diesbezüglicher Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt.

Radfahren

„BV Mickel hält fest, dass ihrer Meinung nach das Radwegenetz in Wien ein Flickwerk sei.“ (Protokoll der Verkehrskommission vom 3. November 2011). Diese Analyse ist ja durchaus nachvollziehbar, aber es gehört maßgeblich zu den Kompetenzen der Bezirksvorsteherin, das in der Josefstadt zu ändern! Ich konnte mir ja eine Anfrage nicht verkneifen, in der wir die Bezirksvorsteherin gefragt haben, was sie denn dazu beigetragen hat, die von ihr kritisierten Lücken zu schließen. Ihre Fraktion stimmt prinzipiell gegen jeden Antrag, der dazu beitragen würde, dieses „Flickwerk“ zu schließen: die geplanten Verbesserungen in der fahrradfreundlichen Straße Pfeilgasse-Zeltgasse, das Radfahren gegen die Einbahn in der Schönborngasse, der Breitenfeldergasse, Radbügeln in der Parkspur, ganz egal, die ist ÖVP ist dagegen. Aber sie bewegt sich doch! In der letzten Sitzung gab es eine Premiere: unser Antrag auf Lückenschluss Radfahren gegen die Einbahn in der Florianigasse zwischen Uhlplatz und Bennoplatz einstimmig angenommen wurde! Eine bessere Josefstadt ist möglich.

DSC_0054-300x203Zugang zum Spielplatz Bennoplatz

Die Freude über die Einsicht der anderen Fraktionen, dass es vielleicht doch etwas bringt, den Radverkehr in der Stadt durch eine bessere Infrastruktur zu attraktivieren, währte nur kurz. Wie seltsam ÖVP und SPÖ manchmal ticken, wurde am Antrag sichtbar, den Zugang zum Kinderspielplatz am Bennoplatz durch ein Parkverbot für einen (!!) Stellplatz zu ermöglichen. Der Eingang kann – völlig legal – so zugeparkt werden, dass er de facto unbenutzbar ist. Rezept der SPÖ: den Eingang überhaupt zu schließen. Die SPÖ („kinderfreundliche Josefstadt“) lehnen ein Parkverbot ebenso ab, wie die ÖVP („Vorrang für Familien“). Hauptsache das „Politikmarketing“ stimmt. Einem Realitätscheck halten diese leeren Slogans nicht stand.

DSC_01501-300x198Begegnungszone Lange Gasse

In der letzten Sitzung haben die Grünen einen Antrag zur Umsetzung der Begegnungszone in der Lange Gasse eingebracht. Diesmal war es Echt Josefstadt, die einen diesbezüglichen Antrag vorgelegt hat. Und auch diesmal fand der Antrag keine politische Mehrheit. Unsere 7 Gründe für eine Begegnungszone in der Lange Gasse habe ich hier zusammengefasst. Interessant ist, dass die ÖVP eine Befragung – offensichtlich ohne weitere BürgerInneninformation – bereits für Ende Oktober ankündigt. Nach Jahren des Verschleppens und Verzögerns muss es jetzt offenbar ganz schnell gehen.

Pool statt Bäume. Die Geschichte einer Innenhofvernichtung.

Oktober 2013. Die Niederösterreichische Versicherung (beteiligt an der NV ist auch die Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien, es besteht auch eine Partnerschaft mit der Österreichischen Hagelversicherung mit Sitz in der Josefstadt) will den Dachboden der ihr gehörenden Liegenschaft ausbauen. Dazu ist ein Aufzug dienlich. Der Bauausschuss des Bezirkes lehnt die Ausnahmegenehmigung für den Aufzug – der soll im Schutzgebiet Grünland errichtet werden – einstimmig ab. September 2014. Der Dachbodenausbau ist in vollem Gange, der Aufzug steht. Baubewilligung gibt es keine. Den Garten hat die NV mittlerweile an jene Nachbarin verkauft, die noch ein Jahr zuvor am vehementesten gegen den Aufzugsbau eingetreten ist. Die ganze unglaubliche Geschichte gibt’s hier.

Raiffeisen – Mickel unterm Giebelkreuz

Dass unsere Bezirksvorsteherin seit 2011 im Aufsichtsrat der Raiffeisen Landesbank Wien-Niederösterreich sitzt ist zwar sicherlich gut für die Frauenquote im von Männern dominierten Wirtschaftskonzern, beschert ihr aber regelmäßig heftige Diskussionen in der Bezirksvertretung. Dabei werden die ÖVP MandatarInnen ganz ruhig und es bleibt meist an ihr selbst, sich zu rechtfertigen. Einzig Klubobmann Florian Mauthe bemühte einen geradezu süßen Vergleich: es gäbe doch auch Gemeinderäte, die in Aufsichtsräten und „zum Beispiel Schwimmsportvereinen“ aktiv seien. Interessant, die Raiffeisen – mit einem Konzernumsatz, der doppelt so hoch ist wie Österreichs BIP – mit einem Schwimmsportverein zu vergleichen. Mickel schimpfte, die Fragen seien eine „Sauerei“ und woher wir denn glaubten, dass das Geld für die Opfer des umgefallenen Krans in der Blindengasse sei. Ich verstand den Zusammenhang zwischen ihrer Raiffeisen Funktion und dem umgefallenen Kran zunächst gar nicht, aber auf Nachfrage stellte sich heraus, dass ihre Vergütung als Aufsichtsrätin (angeblich € 5000.- pro Jahr) in einen Fond bei Raiffeisen einbezahlt wird, aus dem sie Ankäufe für soziale Härtefälle tätigen kann. Das ist zwar nett und für die Betroffenen zweifellos hilfreich, wir aber finden es nach wie vor unvereinbar, politische Bezirksinteressen vertreten zu sollen und gleichzeitig im Aufsichtsrat der Raiffeisen zu sitzen – auch wenn das offensichtlich zu einer ordentlichen ÖVP Karriere dazugehört. Es soll ja ÖVP Politiker geben, die nach ihrer politischen Karriere schöne Jobs bei Raiffeisen bekommen haben.

Freue mich auf Ihre Reaktionen & Postings 😉

Alles Liebe, Ihr
Alexander Spritzendorfer

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