Nachlese der Bezirksvertretungssitzung vom 27.02.2019

Ganze 4 Mal im Jahr muss sich die Bezirksvorsteherin den Fragen der Oppositionsparteien stellen. Aber jede Form von Kritik wird offensichtlich als Majestätsbeleidigung empfunden, mit verdrehten Augen quittiert und von ungeduldigen Blicken auf die Uhr begleitet.

Frau Mickel bleibt gerne in ihrer Komfortzone, eine Bezirksvertretungssitzung gehört nicht dazu. Man hat den Eindruck, die ÖVP ist jedes Mal froh, wenn die unliebsame Sitzung schnell vorüber geht, denn regelmäßig muss sie sich harsche Kritik an ihrer Arbeit oder an ihren Unterlassungen anhören. Und wenn sie auf umgesetzte Projekte verweist, so gehen diese oft genug auf Grüne Anträge und Initiativen zurück.

Die Sitzungen der Bezirksvertretung beginnen jeweils mit einem Bericht der Bezirksvorsteherin über die wichtigsten Geschehnisse der vergangenen drei Monate. Das muss man sich ungefähr so vorstellen, wie ihren Wohlfühl-Newsletter, mit dem völligen Ausblenden von allem Politischem. So durften wir z.B. erfahren, dass am 18. April die Angelobung von Bundesheersoldaten am Jodok-Fink-Platz stattfindet. Dass die Wiener Linien dem Bezirk angeboten haben, auf eigene Kosten Umbauarbeiten in der Blindengasse durchzuführen um ENDLICH die so gut wie täglichen Behinderungen der Linie 5 durch schlecht parkende KFZs zu verhindern, berichtete sie erst auf meine explizite Nachfrage.

 

Betonwände statt breiter Gehsteige für die Blindengasse?

Offensichtlich soll nach Ostern ein neues Versuchsprojekt mit Betonwänden (??!!) in der Blindengasse starten. Nach dem grandios gescheiterten Experiment mit einer teuren Warnblinkanlage, die längst wieder demontiert wurde, kommt die ÖVP nun mit der nächsten „grandiosen“ Idee: Betonwände sollen nun in der Blindengasse 6 bis 10 platziert werden, um das Falschparken zu verhindern. Es ist uns völlig unverständlich, warum nicht endlich breite Gehsteige verwirklicht werden, obwohl die Wiener Linien zugesagt haben, sich an den Kosten zu beteiligen. „Noch effektiver sind laut Wiener Linien Gehsteigverbreiterungen auf Kosten von Autoabstellplätzen.“ heißt es dazu in einem ORF Bericht. Wir werden dran bleiben, denn gerade die Blindengasse hat eine Attraktivierung dringend nötig und das derzeit laufende Förderprogramm „Gürtel Innen-West“ würde sogar die Möglichkeit einer EU-Kofinanzierung bieten. Es ist wirklich unglaublich, was alles getan wird, um nur ja keine breiten Gehsteige bauen zu müssen. Dabei wäre das die zentrale Maßnahme für eine Belebung der Erdgeschoßzonen in der Blindengasse! (Mehr zum Thema)

 

2018 erstmals mehr Hitzetote als Verkehrstote

„+2 Grad. Warum wir uns für die Rettung der Welt erwärmen sollten.“ Das neue Buch von Helga Kromp-Kolb & Herbert Formayer ist unsere aktuelle Buchempfehlung. Auch der Bezirksvorsteherin würde die Lektüre nicht schaden.

Das wahrscheinlich wichtigste Thema, das uns sehr viel mehr beschäftigen sollte, sind die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen auf unserem Planeten. Der Mensch hat offensichtlich ein Problem im Umgang mit abstrakten Zukunftsbedrohungen und oft genug empört uns das Hundebemmerl vor der Schule mehr als die zunehmende Verschmutzung der Luft und ihre Anreicherung mit CO2. Das Jahr 2018 war nicht nur das heißeste, sondern auch das trockenste Jahr seit Beginn von Aufzeichnungen. 2018 wurden in Österreich erstmals mehr Hitzetote als Verkehrstote gezählt. Diesen erschreckenden und unübersehbaren Tatsachen können sich auch Politikerinnen nicht mehr entziehen. Das hat auch unsere Bezirksvorsteherin verstanden: „Wir haben es letzten Sommer gemerkt, die Hitze wird immer stärker. Spätestens seit dem letzten Sommer wissen alle, dass der Klimawandel ein Faktum ist.“ Der letzte Satz klingt für mich wie das Eingeständnis einer ehemaligen Klimawandelskeptikerin. Derer gibt es nach wie vor genügend. Gut gefüttert von den Lobbyisten der Zigaretten- & Waffenlobby, haben von der Industrie finanzierte Think-Tanks die Zweifel am Klimawandel geschürt und finden bis heute Politikerinnen, die ihre fahrlässigen Theorien weiterverbreiten. Die wirkliche Bedrohung der Menschheit sei die Zuwanderung und nicht der Klimwandel, so hört man es oft von rechtsnationalen Parteien. Dabei ist ein Teil der Migration bereits eine Auswirkung des Klimawandels, den es gemäß ihren Aussagen gar nicht gibt. Klimaschutz sei ein „Irrsinn“ so ein deutscher AfD-Politiker, Klimawandel habe es schon immer gegeben, so eine Abgeordnete der schweizerischen Volkspartei. Konsequenterweise lehnen sie Anträge zu Umwelt- & Klimaschutz meistens ab. Der Falter hat dazu in der Ausgabe 9/19 einen interessanten Artikel veröffentlicht.

Noch schlimmer als diesen Leugnerinnen des Klimawandels, finde ich jedoch PolitikerInnen, die permanent beteuern, wie wichtig ihnen das Thema wäre, und gleichzeitig jede Maßnahme, die einen Beitrag zu einer Verbesserung leisten könnte, ablehnen. (Mehr zum Thema)

 

Geld für Studentenverbindungen statt für Klimaschutz

Die Grünen haben in der vergangenen Sitzung eine sehr umfangreiche Anfrage an die Bezirksvorsteherin eingebracht. Eine der Fragen, zielte darauf ab, einer Bezirksrätin bzw. einem Bezirksrat aus der Josefstadt die Teilnahme an einem Mobilitätslehrgang des „Klimabündnis Österreich“ zu ermöglichen. Immerhin ist die Josefstadt seit 2010 Mitglied des Klimabündnis. Das Klimabündnis bemüht sich um konkrete Vorschläge & Maßnahmen zur Eindämmung des Temperaturanstiegs. Es ist schon klar, dass die Josefstadt nicht die Welt retten kann, aber zumindest müssen doch auch wir unseren Beitrag leisten, unsere Bemühungen verstärken, die Auswirkungen des Klimawandels – nein man muss es sagen, die Auswirkungen der bevorstehenden Klimakatastrophe zu antizipieren und etwas dagegen zu unternehmen! Denn „spätestens seit dem letzten Sommer wissen alle, dass der Klimawandel ein Faktum ist!“ (Mickel auf Facebook). Als ob das erst seit dem letzten Sommer bekannt wäre. Unternommen wird aber weiterhin nichts und die Ankündigungen bleiben heiße Luft.

Denn was unternimmt die Bezirksvorsteherin? Sie legt z.B. die einstimmig beschlossene Baumpflanzung in der Kupkagasse auf Eis, kann sich nicht durchringen, mit einer flächendeckenden Tempo 30 Zone im Bezirk sowohl einen Klimaschutzbeitrag zu leisten, als auch die Verkehrssicherheit zu erhöhen und sie lehnt die Fortbildung einer Bezirksrätin zur Mobilitätsbeauftragten des Bezirkes schlichtweg ab. Wohlgemerkt, es geht dabei nicht um die ca € 600.- die dieser Klimaschutzlehrgang kosten würde, das Geld ist da. Sagt sie selbst. Aber „Maßnahmen gegen den Klimawandel müssen auch wirtschaftlich und sozial verträglich sein“, so die Bezirksvorsteherin die keinen Sinn darin sieht, eine Bezirksrätin zur Mobilitätsbeauftragten ausbilden zu lassen.

Spenden an christliche CouleurstudentInnen machen für Mickel offenbar mehr Sinn. Gemäß dem Bericht über die Verwendung ihrer Verfügungsmittel (ca € 28,400.- pro Jahr) gingen 2018 rund € 1,100.- an Spenden bzw. Leistungen an Studentenverbindungen, wie die K.Ö.H.V. Rugia oder die K.a.V. Bajuvaria („Für Volk & Glaube“) – beide mit Sitz im 1. Bezirk. An ihren Taten sollt ihr sie/Sie messen, denn nur das Erreichte zählt und nicht das Erzählte reicht!

Apropos Studentenverbindung: der junge Mann am Fenster der schlagenden Burschenschaft Gothia in der Schlösselgasse, der laut Medienberichten FPÖ-Mitglied sein soll, hat den Demonstranten lediglich zugewinkt. Wahrscheinlich reine Solidarität mit den Forderungen der DemonstrantInnen. Keinesfalls war das ein Hitlergruß, wie uns ein FPÖ-Bezirksrat treuherzig versicherte. Augenzeugen widersprechen dieser Darstellung heftig. Unserem Antrag, dass sich die Bezirksvertretung Josefstadt gegen jede Form von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Neonazismus in der Josefstadt ausspricht und sich uneingeschränkt zur UN-Menschenrechtskonvention bekennt, haben alle Fraktionen zugestimmt.

 

Verpflichtender Abbiegeassistent für LKW

Wie sehr man das eine Ankündigen und das Gegenteil davon tun kann, hat Verkehrsminister Norbert Hofer mit seinem Runden Tisch zum Thema Abbiegeassistenten für LKW bewiesen. Jedes Jahr passieren in Österreich rund 2.800 Verkehrsunfälle, bei denen Kinder als Opfer beteiligt sind. 300 Kinder werden bei solchen Verkehrsunfällen schwer verletzt. 2017 kamen im Straßenverkehr 8 Kinder unter 14 Jahren ums Leben. Binnen 3 Wochen haben fast 70.000 Menschen eine Petition unterschrieben. Verkehrsminister Norbert Hofer hatte zu einem LKW-Gipfel eingeladen. Doch die hohen Erwartungen („…und haltets mir fest die Daumen“) an mehr Verkehrssicherheit durch konkrete Maßnahmen erfüllten sich nicht. Laut Aussagen von Verkehrsminister Hofer in der ZIB2 vom 19.2.2019, machen „Abbiegeassistenten derzeit keinen Sinn“.

Unserem Resolutionsantrag für eine verpflichtende Ausrüstung von Abbiegeassistenten für LKW, haben alle Fraktionen zugestimmt! (Mehr zum Thema)

 

Tempo 30/40/50

Auch in der letzten Bezirksvertretungssitzung hat uns das Thema Tempo 30 flächendeckend im Bezirk beschäftigt. Man kann die Positionen kurz zusammenfassen: die Grünen drängen auf eine flächendeckende Einführung von Tempo 30, einschließlich Schienenstraßen, die ÖVP möchte einen (bereits abgelehnten) Antrag auf Tempo 40 in der Josefstädterstraße nochmals überprüfen lassen und die SPÖ findet Tempo 50 in der Josefstädterstraße eh super und will keine Veränderung. Dabei hat alles so vielversprechend begonnen: in der Bezirksvertretungssitzung am 28. Juni 2018 haben wir einen Antrag auf Überprüfung von Tempo 40 in der Josefstädterstraße mehrheitlich beschlossen. Die Antwort der Stadt allerdings war ablehnend. Man wolle Tempo 40 Zonen auflassen statt einführen, wolle keinen Fleckerlteppich unterschiedlicher Tempozonen, also entweder Tempo 30 oder 50, aber eben nicht 40. Ausserdem müsste der Bezirk die Kosten für die „Tempo 40“ – (bzw. „Tempo-40 Ende“) Schilder übernehmen, die an jeder Kreuzung montiert werden müssten, natürlich in die Gehsteige. Eine Menge Geld dafür auszugeben, dass zusätzliche Beschilderungen für den Autoverkehr auf die eh schon schmalen Gehsteig der Josefstädterstraße kommen sollen, das hat keiner Fraktion gefallen. Unsere Antwort darauf lautet: eine einheitliche Tempozone für die gesamte Josefstadt, Tempo 30 flächendeckend! Und was sagt die Bezirksvorsteherin zu Tempo 30? „Es gibt immer wieder Anrainer-Beschwerden wegen Zuschnellfahrens. Wir haben grundsätzlich gute Erfahrungen mit Tempo 30 im Bezirk. Es herrscht ein breiter Konsens, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Josefstädter Straße überprüft werden soll“, erklärt Bezirksvorsteherin Veronika Mickel-Göttfert (ÖVP). (Quelle: Heute.at) „Tempo 30 auf der Josefstädter Straße würde für mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer und weniger Straßenlärm sorgen.“ (Quelle: Facebook)

Stimmt. Tempo 30 bringt mehr Verkehrssicherheit, weniger Lärm, weniger Emissionen, eine Menge an Vorteilen – dennoch haben ÖVP und SPÖ alle unsere diesbezüglichen Anträge abgelehnt. Bisher. (Mehr zum Thema)

 

15 Bäume für die Schönborngasse

Eine gute Nachricht noch zum Schluss: unser Antrag auf Baumpflanzungen in der Schönborngasse hat ergeben, dass die Pflanzung von 15 Bäumen möglich wäre! Wir bleiben dran und werden über den weiteren Verlauf dieser Verhandlungen berichten. Der Widerstand gegen diesen „Verlust von Stellplätzen“ ist vorprogrammiert.

 

Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen & Kommentare, Ihr

alexander.spritzendorfer@gruene.at

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