Lernen wir aus der Geschichte?
1929 stürzte die Weltwirtschaft nach dem Börsenkrach an der Wall Street vom 25.Oktober in eine tiefe Rezession und Wirtschaftskrise. Am 11.Mai 1931 wurde die Creditanstalt, das größte österreichische Kreditinstitut, zahlungsunfähig und der Staat übernahm eine Ausfallshaftung für die Bank in Höhe von 150 Millionen Schilling, die schließlich auch schlagend wurde. Sparmaßnahmen bei den Beamtengehältern, den Sozialleistungen und neue Steuern waren die Folge.
Wiederholt sich die Geschichte? Die aktuellen Meldungen und Schlagzeilen erinnern beklemmend an die Ereignisse vor 80 Jahren. Spätestens seit November 2007 haben die „whistle blower“ vor der größten Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren gewarnt. Damals meinte der NÖ Finanzlandesrat, solche Aussagen trieben ihm die Zornesröte ins Gesicht: „Der Vergleich mit den 30er Jahren ist absurd.“ Möglicherweise behält er recht: die Krise könnte noch viel schlimmer werden.
Aber nicht nur die wirtschaftlichen Parallelen zu den 30er Jahren sind interessant bis beängstigend, auch politische Parallelen drängen sich auf.
Die Auflösung des Österreichischen Parlaments nach einer Sondersitzung des Nationalrates am 4.März 1933 war indirekt eine Folge der Wirtschaftskrise. Auslöser für diese Sitzung war ein Eisenbahnerstreik, der durch massive Lohnkürzungen und Entlassungswellen am 1.März 1933 stattgefunden hatte. Das Rezept der Regierungen der 30 Jahre gegen die Wirtschaftskrise war ein massiver Abbau von Sozialleistungen, was einer Radikalisierung in der Politik und dem Aufstieg der Nationalsozialisten unmittelbaren Vorschub leistete. Nach den Wahlen in Deutschland vom 5. März 1933, also nur einen Tag nach der Auflösung des Österreichischen Parlaments – übernahm Hitler in Deutschland die Macht. Und auch die Kirche spielte in diesen Tagen eine keineswegs unpolitische Rolle: am 16.Oktober 1932 wurde Theodor Innitzer („Grüß Gott und Heil Hitler“) von Pius XI. zum Erzbischof von Wien ernannt. Nur wenige Monate später begrüßte Innitzer die Ausschaltung des Parlaments und die Errichtung einer autoritären Diktatur durch Engelbert Dollfuß. Viele waren Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts der Meinung, die demokratisch gewählten Parlamente seien ungeeignet, die richtigen Schritte gegen die Wirtschaftskrise zu setzen.
Mitte März 2009 titelte die Süddeutsche Zeitung mit der Schlagzeile: „Rechtsradikalismus wird zur Jugendbewegung“. Aber auch in der näheren Umgebung scheint sich die Gesellschaft mit dem Rechtsruck bereits abzufinden. Bei der Kärntner Landtagswahl am 1.März wählten knapp 49% die Rechten. Hier in der Josefstadt wollte der „Pro Josefstadt“ Aktivist Albert Hauer mit seiner „Weg mit Arigona“ Facebook Gruppe berühmt werden. Die Kirche kokettiert in unerträglicher Weise mit den Holocaust Leugnern der Pius-Bruderschaft und ernennt einen radikalen Fundamentalisten zum Linzer Weihbischof, der Homosexualität für heilbar hält. Der Rückzieher von Georg Maria Wagner ist zwar erfreulich, aber sicher kein Grund zu Jubel.
Der Weg ist beschritten und er führt in eine Radikalisierung von Gesellschaft, Politik und Kirche. Das Vertrauen in die politischen Institutionen, sei es Europa, seien es die Regierungen ist enden wollend und es wird endgültig verspielt sein, sobald die Wirtschaftskrise für einen Großteil der Bevölkerung subjektiv spürbar wird. Wäre Österreich nicht Teil eines großen Europäischen Friedensprojektes, es wäre möglicherweise nur noch ein kleiner Schritt zur Wiederholung der Entwicklung der frühen 30er Jahre. Erfasst dieser Sog aber ganz Europa, bleibt nur zu hoffen, dass sich die düstere Vision der Band „Young Disciples“ nicht erfüllt, wenn sie in ihrem Song meinen „What have we learned from history? Apparently nothing.“
Originalartikel erschienen in: Josefstädter Journal Sommer 2009