Was kommt jetzt?

Das Ergebnis der Nationalratswahl wirft dunkle Schatten voraus. Führerpersönlichkeiten sind gefragt. Kurz-Kern-Strache-Strolz-Pilz. Die Grünen hingegen wurden von ihren eigenen basisdemokratischen Strukturen zerstört: Junge Grüne, Heumarkt samt Urabstimmung, Abwahl von Pilz. Die Entscheidungen der Grünen Basis haben die Partei dermaßen durchgeschüttelt, zermürbt und schließlich zerstört, dass man sich die Frage stellen muss, ob diese Form der Basisdemokratie noch funktioniert. Basisdemokratie ist keine Garantie für weise Entscheidungen. Sie wird nur andächtig und widerspruchslos als Rechtfertigung für oft recht eigenwillige Ergebnisse bei den Grünen herangezogen. Grüne haben über die Jahre gelernt, die Schwächen der Basisdemokratie auszunutzen, wie geschickte Finanzinvestoren Systemschwächen zu ihrem eigenen Vorteil nutzen. Nicht illegal aber unanständig. Oft hat man bei Abstimmungen und Wahlen der Grünen die Kritik gehört, dass sie zu einer „Autobusdemokratur“ verkommen ist. Wer den größten Autobus an Freundinnen und Freunden mobilisieren kann, bestimmt das Ergebnis. Qualifikation, politisches Handwerk, Erfahrung oder gar thematische Schwerpunktsetzung werden nebensächlich. Im Ergebnis entstehen dabei oft Entscheidungen, die außerhalb dieser grünen Blase auf völlige Verständnislosigkeit und Kopfschütteln sorgen. Gleichzeitig führt das politische Agieren der Mandatare vor Angst vor solchen basisdemokratischen Entscheidungen oft zu einem Eiertanz und einer innerparteilichen Diplomatie, die der Sache wenig dienlich ist. XY war böse zu mir, den mag ich nicht, den wählma nimma, gell! Ein paar gute Freunde um sich geschart und schon scheitert der unliebsame Kandidat. Die Instrumente der Grünen Basisdemokratie legen die Mandatare an die kurze Leine. „Verantwortung ohne Macht“ hat es Alexander Van der Bellen in seiner Zeit als Grüner Bundessprecher oft genannt. Wo es Verantwortung ohne Macht gibt, gibt es auch Mächtige ohne Verantwortung.

Auf die Zusammensetzung eines Klubs hat eine Spitzenkandidatin keinen Einfluss und im Ergebnis gibt es dann z.B. niemanden für Kultur, niemanden für Bildung, niemanden für Wirtschaft aber dafür gleich mehrere potentielle LGBT Sprecherinnen. Christoph Chorherr hat völlig recht: ein Kandidat wie Alexander Van der Bellen wäre heute bei den Grünen unmöglich. Nicht nur, weil die Grünen Strukturen das schwer machen, sondern auch weil man erst einmal jemanden finden muss, der sich auf dieses russische Roulette einlässt. Andy Baum, Peter Kern (R.I.P.) oder Beatrice Acheleke haben bei ihren Kandidaturen auf grünen Listen in der Vergangenheit bittere Erfahrung machen müssen, obwohl zwei von ihnen mit Unterstützung des Vorstands kandidiert haben. Der letzte der diese Domptur erfolgreich praktiziert hat war Peter Pilz, als er 1994 den Quereinsteiger Alexander Van der Bellen für eine Kandidatur bei den Grünen gewinnen konnte.

Die Reaktion auf die anarchische Basis sind autoritäre Maulkörbe: Jetzt nicht, wir haben Bundespräsidentenwahl. Jetzt nicht, ein Streit in der Öffentlichkeit würde uns beschädigen. Jetzt nicht. Bei den vielen wortgewaltigen und intellektuellen Persönlichkeiten, die sich bei den Grünen versammeln, geht das auf Dauer nicht gut. Grüne Individualisten lassen sich auf Dauer nicht das Wort verbieten.

Ich habe kein Rezept für diesen Widerspruch, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Gratwanderung zwischen dem Teamplayer in dieser autoritätssensiblen Umgebung und der Führungspersönlichkeit von der auch erwartet wird, dass sie Orientierung gibt, bei den Grünen eine schwierige Aufgabe ist. Den einen ist man zu autoritär, den anderen zu führungsschwach. Manchmal beides. Junge Grüne, Heumarkt, Peter Pilz.

Gewonnen haben diese Wahl die one-men-shows: Kurz-Kern-Strache-Strolz-Pilz. Männer mit einem ausgeprägten Hang zur Selbstdarstellung und autokratischen Zügen. Die weibliche grüne Doppelspitze samt ihrer Basisdemokratie wurde abgewählt. Inhaltliche Debatten haben den Wahlkampf nur selten belastet. Der Unterschied zwischen Elefantenrunde und Dschungelcamp ist nicht mehr deutlich erkennbar. Kurz war beim Runterschlucken der Mehlwürmer am schnellsten und hat den Stern geholt.

Für das Erlangen der Macht im Staat kann man schon mal die Zähne zusammen beißen. Und dass Kurz einen ausgesprochenen Zug zur Macht besitzt, hat der zukünftige Bundeskanzler bei der Übernahme der ÖVP und dem Ausrufen von Neuwahlen bewiesen. In Österreich greift er nach der Macht, jetzt fehlt nur noch Wien. Das Bashing der Bundeshauptstadt durch Kurz war bereits im Wahlkampf unüberhörbar. Wie Ende der 20er Jahren, als Bundeskanzler Ignaz Seipel, der Prälat ohne Milde, den Kampf gegen das rote Wien mit seinem Sozialprogramm (heute: Mindestsicherung) und seinem sozialen Wohnbau (finanziert mit einer Reichsteuer) aufnahm, mit dem Ziel die ungeliebte Hochburg der Linken zu zerstören. Der soziale Wohnbau kam völlig zum Erliegen, unzählige Projekte mussten mangels Finanzierung schubladisiert werden. Die weitere Entwicklung ist bekannt: am 12. Februar 1934 lässt Engelbert Dollfuß den Wiener Bürgermeister Karl Seitz verhaften und durch den christlichsozialen Richard Schmitz ersetzen. Begonnen hatte Dollfuß seine politische Karriere in der katholischen Fraktion der Deutschen Studentenschaft. Als Sprecher dieser Vereinigung äußerte er sich 1920 über den Zustrom von jüdischen StudentInnen aus dem Osten: „Hier hilft kein Herumdoktern, weg mit allen fremden Juden…“ Das Portrait des ehemaligen christlichsozialen Bundeskanzlers hängt bis heute im ÖVP-Klub im Parlament (Korrektur: -> das Portrait wurde im Juli 2017 dem NÖ Kandesmuseum übergeben.)

Wie lange wird die Wiener Sozialdemokratie nach der Ära Häupl dem ökonomischen Druck durch eine schwarzblaue Bundesregierung standhalten? Gut möglich, dass die SPÖ in der Opposition bald gute Umfragewerte haben wird. Gut möglich, dass in der Wiener SPÖ nach Häupl andere Koalitionsvarianten attraktiv werden. Widmungsverfahren wie beim Heumarkt wären mit ÖVP (oder auch FPÖ) als Koalitionspartner weniger Problem als mit den unbequemen und zerbröselnden Grünen und einen Draht in die Bundesregierung hätte man außerdem.

Ich weiß nicht, ob es so kommen wird, aber ich befürchte, dass nach dieser inhaltsleeren Wahl und deren Ausgang das Interesse am Gemeinwohl nicht unbedingt im Mittelpunkt der politischen Bemühungen stehen wird. Taktieren, Sanktionieren und Machtspiele, kombiniert mit Populismus, dem Schüren von Ängsten vor was auch immer, unterstützt von einer gefügigen und inseratenverwöhnten Boulevardpresse, das werden uns die nächsten Jahre bringen. Wer wird dem etwas entgegensetzen? Ein unter politisches Kuratel gestellter ORF mit einem Chef Marke Werner Mück? Der Falter? Es wird übel. Wenn wir uns daneben mit Fragen beschäftigen, ob Grüne noch mit Peter Pilz befreundet sein dürfen oder wieviel Schuld Flora Petrik am Scheitern der Grünen an der 4% Hürde trägt, stellen wir uns die falschen Fragen. In den nächsten Monaten werden andere Fragen wichtig sein: Wie verlaufen die Karrieren von JournalistInnen? Welche Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden eingestellt, welche neuen Formate entwickelt? Welche Einrichtungen müssen mangels Förderungen schließen? Welche Einrichtungen werden gut dotiert neu gegründet? Welche Personalentscheidungen trifft die Bundesregierung?

Im kommenden halben Jahr finden in 4 von 9 Bundesländern Landtagswahlen statt. In Tirol, Kärnten und Salzburg droht den Grünen der Verlust ihrer Regierungsbeteiligung, in Niederösterreich könnten sie aus dem Landtag fliegen. Den Grünen sind innerhalb nur eines Jahres gleich zwei Überraschungen gelungen: einen Grünen zum Bundespräsidenten zu machen und aus dem Nationalrat zu fliegen. Das Potential für weitere Überraschungen steckt nach wie vor in den Grünen. Arbeiten wir an den positiven Überraschungen!

 

2 Responses to “Was kommt jetzt?”

  1. Emberger sagt:

    Guter Kommentar.

  2. Hans sagt:

    Im Sinne eines Neustarts für die Partei: Bitte, bitte treten auch Sie zurück.

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