Mickel und die Raiffeisen

In Paragraph 61b der Wiener Stadtverfassung ist das Berufsverbot der BezirksvorsteherInnen verankert: „(4) Der Bezirksvorsteher darf während seiner Amtstätigkeit (…) keinen Beruf mit Erwerbsabsicht ausüben.“  Bei einem Verdienst von rund € 10.000.- brutto pro Monat kann die „Erwerbsabsicht“ leicht umgangen werden, indem auf eine Vergütung großzügig verzichtet wird. Einfluss, Macht und interessante Netzwerke sind viel stärkere Motive, um neben den Aufgaben als Bezirksvorsteherin auch andere Funktionen zu übernehmen.

Seit 12. März 2012 ist Veronika Mickel, ÖVP-Bezirksvorsteherin der Josefstadt im Nebenjob Aufsichtsratsmitglied der Raiffeisen Landesbank Wien-NÖ. Seither ist keine Bezirksvertretungssitzung vergangen, in der wir nicht auf die Unvereinbarkeit dieser beiden Funktionen hingewiesen haben. Dem Mehrfachengagement von BezirksvorsteherInnen widmete nun auch das Profil eine Geschichte. Unter dem Titel „Zweitjobbörse“ wird auf die „absurderweise rechtmäßige Unvereinbarkeit“ hingewiesen. Auch die Kronen Zeitung hat berichtet („Wirbel um Nebenjob von Mickel“).

Laut Paragraf 103h der Wiener Stadtverfassung umfasst der Aufgabenbereich eines Bezirksvorstehers auch die „Mitwirkung bei der Vollziehung der Bauordnung für Wien“. Die Bezirksvorsteherin wird also zu jeder Bauverhandlung geladen. „Der Aufsichtsrat der Raiffeisen-Landesbank“ habe nichts mit „Raiffeisen-Immobilien zu tun“, so Mickel 2012 gegenüber dem Standard. Als Bezirksvorsteherin ist sie jedoch Behörde bei Bauverfahren in der Josefstadt. Auch bei Bauvorhaben der Raiffeisen-Immobilien. Alleine dieses Beispiel verdeutlicht den Interessenskonflikt in den sich die Bezirksvorsteherin selbst gebracht hat.

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In Paragraph 7 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes heißt es: „Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.“

 

Die ÖVP behauptet, alles sei rechtens und beruft sich dabei auf ein Gutachten der Magistratsdirektion: „Bezüglich des Aufsichtsratsmandat von Bezirksvorsteherin Veronika Mickel-Göttfert ist festzuhalten, dass es eine Erkenntnis der Magistratsdirektion gibt, dass diese Tätigkeit mit der Funktion als Bezirksvorsteherin vereinbar ist, da die gesetzlichen Bestimmungen nicht für BezirksvorsteherInnen gelten.“ (aus dem Email „Nichtzulassung von Anträgen zur BV-Sitzung am 24.6.2015“ vom Vorsitzenden der Bezirksvertretung).

Auch gegenüber „Profil“ wird diese Position bekräftigt: „Überdies habe sie sich „bei der Magistratsdirektion erkundigt“, es gebe „keine Unvereinbarkeit mit dem Berufsverbot“.

Und Klubobmann Florian Mauthe argumentierte in der BV-Sitzung am 25. März 2015:
„Darüber hinaus möchte ich festhalten, dass die Frau Bezirksvorsteherin ein Gutachten bei der Magstratsdirektion eingeholt hat, bevor sie dieses Mandat angenommen hat und dieses Gutachten eindeutig festgehalten hat, dass es keinen Konflikt zwischen der Tätigkeit als Bezirksvorsteherin und Aufsichtsratsmitglied der Raiffeisen besteht. (…) Es ist aber auch klar, dass es hier rechtlich eine ganz klare Entscheidung von der Magistratsdirektion gibt (…) wenn die Magistratsdirektion sagt, dass das in Ordnung ist, (…) es ist allerdings so.“

Diese „Erkenntnis der Magistratsdirektion“ bleibt aber Verschlusssache. Der Antrag der Grünen, in dem die Bezirksvorsteherin ersucht wird, die Erkenntnis der Magistratsdirektion den Fraktionen zu übermitteln, wird ganz einfach nicht zugelassen. Geht Euch nichts an, heißt es sinngemäß. Die Bezirksvorsteherin beruft sich also auf eine Stellungnahme der Magistratsdirektion, die aber niemand sehen darf. „Laut Angabe der Magistratsdirektion … habe man seinerzeit auf Mickels Anfrage die Zulässigkeit ihres Aufsichtsratsmandats „weder bejaht noch verneint“, berichtet hingegen das Profil.

Bei all den Widersprüchlichkeiten dürfte es also kein Zufall sein, dass alle Anträge und Anfragen, die diese sensible Doppelfunktion betreffen, seitens der ÖVP-Vorsitzenden nicht zugelassen werden. Oder was haben ÖVP und Mickel zu verbergen? Nachdem die Vorsitzenden der Bezirksvertretung alle diesbezüglichen Anträge und Anfragen regelmäßig abweisen, wollen der wir der Bezirksvorsteherin direkt die Möglichkeit bieten, Klarheit in die Angelegenheit zu bringen. Daher haben wir sie mit einem offenen Brief aufgefordert, das besagte Gutachten der Magistratsdirektion zu veröffentlichen.

 

Interessenskonflikte vorprogrammiert

Aus dem Aufsichtsratsmandat bei der Raiffeisen Landesbank Wien-Niederösterreich erhält Mickel eine jährliche Aufwandsentschädigung in Höhe von € 5,000.-. Laut eigenen Aussagen „verzichtet“ sie auf diese Aufwandsentschädigung. Tatsächlich fließt dieses Geld in einen Fond bei Raiffeisen, auf den die Bezirksvorsteherin Zugriff hat:

„Ich kriege das Geld nicht, es gibt einen Fonds bei Raiffeisen wo das einfließt.“ (BV Mickel)

ÖVP Klubobmann Mauthe in der BV Sitzung am 25.03.2015:
„Die Frau Bezirksvorsteherin hat immer über diese Sache Auskunft gegeben. Es ist mittlerweile offensichtlich auch jedem hier klar, dass die Frau Bezirksvorsteherin auf ihr Aufsichtsratsgehalt verzichtet. Die Raiffeisen hat entschieden, dieses Geld in einen Fond zu geben und die Frau Bezirksvorsteherin schickt die Leute zur Raiffeisen um Hilfe und zufälligerweise hilft die Raiffeisen dann auch aus diesem Fond, weil sie möglicherweise auch dankbar ist, dass die Frau Bezirksvorsteherin als Privatperson dieses Aufsichtsratsmandat ausführt.“

BV Mickel am 25.03.2015 auf die Frage aus welchen Geldern haben sie damals die Familie unterstützt:
„Ich habe die Familie gebeten, dass sie sich an die Raiffeisen-Landesbank wendet, weil es dort einen Fond gibt, der Bürger und Menschen unterstützt.“

„Eines möchte ich noch festhalten, weil sie begonnen haben mit dem Gehalt: Ich habe bei der Übernahme des Aufsichtsratsmandats gesagt, ich werde auf die Entschädigung verzichten und überlegen sie sich einmal, wie die Familien unterstützt werden, denen der Kran aufs Dach gefallen ist, das können sie auch einmal als Denksportaufgabe mitnehmen.“

Die Lösung der Denksportaufgabe lautet also, dass Veronika Mickel als Bezirksvorsteherin, Bürgerinnen und Bürger der Josefstadt zu jenem Fond der Raiffeisen Landesbank Wien-NÖ schickt, der aus ihren Aufsichtsratsgeldern gespeist wird. Darin sehen wir einen deutlichen Interessenkonflikt. „Für uns ist damit die Unvereinbarkeit offensichtlich und durch ihre eigenen Zitate auch belegbar.“ so Alexander Spritzendorfer.

  • Wir fordern die Bezirksvorsteherin nachdrücklich auf, das Gutachten der Magistratsdirektion offen zu legen. 
  • Für die Zukunft bedarf es einer Präzisierung durch den Landesgesetzgeber, was die Vereinbarkeiten, bzw. Unvereinbarkeiten von BezirksvorsteherInnen betrifft.

 

Was Mickel für den Raiffeisen Aufsichtsrat qualifiziert, hat Christian Konrad im Falter deutlich gemacht: “Weil sie in Wien ein gutes Netzwerk aufgebaut hat und eine Dame ist.”

Schön, dass die Damenquote auch bei Raiffeisen angekommen ist. Und für ein „gutes Netzwerk“ in die Politik ist die Raiffeisen bekannt. Mit der Anzahl an ÖVP- Nationalratsabgeordneten die ein Verhältnis zur Raiffeisen Bank haben, könnte die Raiffeisen einen eigenen Klub gründen. In dem Buch „Schwarzbuch Landwirtschaft“ von Lutz Holzinger und Clemens Staudinger heißt es dazu: „Macht ist, wenn jemand sehr viel Geld verdient und dafür keine oder fast keine Steuern zahlt. Dieses Prinzip verfolgt Raiffeisen nicht nur bei wohlhabenden Kunden seiner Privatbanken, sondern auch bei den eigenen Großbanken und Firmenkonglomeraten. Einige davon haben es darin zu solcher Meisterschaft gebracht, dass sie nicht nur keine Steuern zahlen, sondern der Staat ihnen Steuergeld zuschießt. Im Fachjargon nennt man das eine »Negativsteuer«. Unangefochtener österreichischer Meister in dieser Disziplin ist die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, die es zusammengerechnet in den Jahren 2006 bis 2008 schaffte, bei einem Gewinn von 739 Millionen Euro nicht nur keinen einzigen Euro Steuern zu zahlen, sondern vom Staat auch noch eine Gutschrift in der Höhe von 21,6 Millionen Euro einzuheimsen.“

weitere Informationen zum Thema:

http://www.spritzendorfer.at/nachlese-der-bezirksvertretungssitzung-vom-20-juni-2012/

http://www.spritzendorfer.at/mickel-im-aufsichtsrat-der-raiffeisen-landesbank/

http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/oesterreich/1190387/index

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