Die ÖVP und die Pfandflasche
Um dem offensichtlich unmenschlichen Sozialsystem der Bundesregierung effektvolle Maßnahmen entgegenzusetzen, fordert die ÖVP Josefstadt die Gemeinde Wien auf, zusätzliche Sammelbehälter für Pfandflaschen aufzustellen. Das deklarierte Ziel: bedürftigen Menschen „etwas Würde zurückzugeben“. Aber lesen Sie selbst.
Den Antrag begründet der ÖVP Bezirksrat Stefan Mlczoch so:
„Der Hintergrund (für diesen Antrag) ist, der Bezirk kann keine generelle Pfandflaschenregelung in Österreich einführen.
Was der Bezirk dafür kann ist, jenen Menschen etwas Würde zurückzugeben, die derzeit unseren Pfandflaschencontainern – und das sieht man wenn man mit offenen Augen durch die Bezirke immer wieder – dort unwürdig herumkramen müssen, für die eine oder andere Pfandflasche.
Ja, das ist ein Nischenproblem, ja es ist ein Problem das an den Rand gedrängt wird, aber deswegen sollte man es nicht ignorieren, sondern sollte man eine Möglichkeit geben, den Menschen in Würde auch diese paar Cent und darum geht es. Ja, es sind keine großen Beträge, aber es ist immerhin genug Geld für den einen oder anderen um sich eine Wurstsemmel zu kaufen und damit vielleicht auch zu einem Mittagessen zu kommen.
Um eine gewisse Würde diesen Menschen zurückgeben, wäre das eine Variante. Wenn es in Zukunft noch mehr Pfandflaschen gibt, soll das der Intentionen des Antrages nur gerecht werden. Umso schöner, wenn es noch einfacher ist, aber das wäre eine sehr kleine Möglichkeit.
Der Bezirk kann nicht die Sozialpolitik in Österreich neu gestalten. Das was die Josefstadt auszeichnet: wir finden sehr pragmatische Lösungen für reale Probleme.“
Der Wortspender dieser Antragserklärung ist aber nicht nur Bezirksrat der ÖVP Josefstadt, Stefan Mlczoch ist als Mitglied von „Think Austria“ einer der Berater des ehemaligen und vermutlich auch zukünftigen Bundeskanzlers Sebastian Kurz.
Also nochmals ganz langsam: ein Mitglied aus dem Beraterstab von Altkanzler Kurz, in dessen Kurzzeitregierung
- die Mindestsicherung gekürzt wurde
- der Stundenlohn für Asylwerber auf € 1,50 reduziert wurde
- die Sozialministerin meinte, € 150.- pro Monat seien genug zum Leben
- zwar die Armen, nicht aber die Armut bekämpft wurde
bringt allen Ernstes einen Antrag ein, um bedürftigen Menschen über das Sammeln von Pfandflaschen „etwas Würde“ zurückzugeben?
Dieser Vorschlag der ÖVP, über Pfandflaschen Sozialpolitik zu betreiben ist doppelt zynisch: ausgerechnet die ÖVP hat sich immer wieder gegen die Einführung eines Pfandsystems auf PET Flaschen ausgesprochen. Zuletzt erst im August dieses Jahres. (zum Artikel: „Außer ÖVP sind alle Parteien für Pfandsystem“)
Die Empörung der im Bezirksparlament vertretenen Parteien war mittlerweile unüberhörbar geworden. Und nun fühlt sich Klubobmann Florian Mauthe bemüsigt, seinem Parteikollegen mit folgender Wortmeldung verbal zur Seite zu stehen:
„Ich muss Euch schon sagen, wenn wir, wir im Bezirk versuchen eine Lösung für ein soziales Problem zu finden, wirft man uns vor …. (Aufregung im Saal, Zwischenruf: „Das ist eine Lösung? Das ist ein Witz!“) … ich nehme zur Kenntnis, dass es für Dich kein soziales Problem ist, für mich ist es … ich sehe es sehr wohl… es ist ja auch offensichtlich nicht so, dass das.. das ist ja nicht aus den Fingern gesogen, es gibt andere Städte in denen das offensichtlich ganz gut funktioniert, warum soll das nicht in Wien auch funktionieren und jemanden sozusagen nicht in den Glascontainer greifen zu lassen sondern zu schauen, dass wenn ich meine Flaschen loswerden will, ihm möglicherweise Gutes tue und stelle ihm meine Pfandflaschen zur Verfügung dann ist das eine einfache Methode jemanden das sozusagen zukommen zu lassen. Uns wirft man immer vor, dass wir nicht mehr christlich-sozial sind, dann sind wir einmal christlich-sozial und dann ist es Euch auch nicht recht!“
Auch der Verweis auf das angeblich gute Funktionieren des Systems in anderen Städten, entlarvt sich schon nach kurzer Recherche als völlig haltlose Behauptung: in Hamburg (in Deutschland gibt es anders als in Österreich sehr wohl ein Pfandsystem für Plastikflaschen) wurde 2014 ein neues Müllsystem eingeführt. Solarbetriebene Mülltonnen pressten dabei den Müll, wodurch die Kapazität der Mülltonnen auf das 7-fache erhöht wurde. Ein Einwurfsystem (ähnlich jenem der Kleidertonnen) verunmöglicht allerdings (verständlicherweise), dass in diese Tonnen hineingegriffen werden kann (-> zum Artikel). Um den Sammlern von Plastikpfandflaschen die Möglichkeit zu geben ein paar Cent zu verdienen, brachte die Stadt Hamburg an diesen Mülltonnen Pfandregale für Plastikflaschen an. Doch bereits nach wenigen Monaten Testphase hat die Stadt Hamburg entschlossen, das System nicht weiter auszubauen und auch Bremen wolle weitere Regale jedenfalls nicht anschaffen (-> zum Artikel).
(Die kursiven Textpassagen sind Transkripte des Audiomitschnittes der Bezirksvertretungssitzung Josefstadt vom 25. September 2019. Der Audiomitschnitt liegt vor.)