Nachlese der Bezirksvertretungssitzung vom 1. März 2017

Die erste (!) Sitzung des Bezirksparlaments Josefstadt im neuen Jahr fand am Mittwoch, den 1. März 2017 statt. Lediglich 4x im Jahr muss sich die Bezirksvorsteherin den kritischen Anfragen der BezirksrätInnen stellen oder Anträge zur Umsetzung entgegennehmen. Kein Wunder, dass es wenig Interesse seitens der regierenden ÖVP gibt, die Zahl der Bezirksvertretungssitzungen zu erhöhen, kein Wunder, dass unzählige Themen eine gefühlte Ewigkeit dauern, bis sie umgesetzt werden.

Aber der Reihe nach:

Was unter den Datenschutz fällt, bestimmt die Bezirksvorsteherin. Oder gelten da Gesetze?

Finden Sie es in Ordnung, dass die Bezirksvorsteherin unter Umgehung des Datenschutzes die Adressen einer Petition für ihre eigenen Werbebriefe verwendet? Die Bezirksvorsteherin ist da nicht so heikel und darüber hinaus auch völlig uneinsichtig. Unserer Meinung nach ist die Weitergabe, die Datenverarbeitung und die Verwendung von Adressen, die im Rahmen einer Petition von BürgerInnen der Josefstadt gesammelt wurden rechtswidrig. Aber es ist wie immer: man erwischt sie bei einer Unkorrektheit, aber statt Einsicht folgt der Gegenangriff. Alles wird dem Schein und einer positiven Öffentlichkeitsarbeit untergeordnet. Wir halten das Vorgehen der Bezirksvorsteherin schlichtweg für Gesetzesbruch und werden das Thema von der Datenschutzbehörde überprüfen lassen. (zur Anfrage.)

Aufsichtsrätin oder Bezirksvorsteherin?

Nachdem die Bezirksvorsteherin zwar Aufklärung versprochen aber nie erbracht hat, haben wir neuerlich ihren Nebenjob als Aufsichtsratsmitglied der Raiffeisen-Landesbank Niederösterreich-Wien thematisiert. Seit Jahren wird behauptet, Mickel habe ein Gutachten der Magistratsdirektion erstellen lassen, aus dem hervorgeht, dass es keine Unvereinbarkeit zwischen ihrer Funktion als Bezirksvorsteherin und ihrer Tätigkeit als Raiffeisen Aufsichtsrätin bestünde. Wir wollten nicht mehr, als dieses Gutachten zu sehen, doch wurde uns dieses Ersuchen bisher verweigert. Möglicherweise, weil da ganz andere Dinge drinnen stehen, als behauptet wird. In einem Artikel im Profil vom Sommer 2015 wird die Magistratsdirektion auf Anfrage zitiert, dass man die Zulässigkeit ihres Aufsichtsratsmandates „weder bejaht noch verneint“ habe.

RaikaVroniIn der ÖVP zählt es ja zum guten Ton neben einer politischen Funktion auch auf der Payroll der Raiffeisen zu stehen. Mickels Ex-Chef Josef Pröll wechselte 2011 vom Finanzministerium in den Raiffeisen Konzern. Seit 2012 ist nun auch Veronika Mickel unter dem Giebelkreuz tätig.

Um die Unvereinbarkeit dieser beiden Funktionen darzustellen, genügt es, lediglich Aussagen von ÖVP-MandatarInnen zu zitieren:

„Eines möchte ich noch festhalten, weil sie begonnen haben mit dem Gehalt: Ich habe bei der Übernahme des Aufsichtsratsmandats gesagt, ich werde auf die Entschädigung verzichten (…). Ich kriege das Geld nicht, es gibt einen Fonds bei Raiffeisen wo das einfließt.“(Bezirksvorsteherin und Raika-Aufsichtsrätin Veronika Mickel, Bezirksvertretungssitzung 24.09.2014)

„Ich sehe in dieser Anfrage eine Reaktion auf eine Sache wo die Frau Bezirksvorsteherin nur mitgeteilt hat, dass sie aufgrund ihrer Funktion in der Raiffeisen die Möglichkeit hat zu sagen: dort können sie sich hinwenden. Das ist genauso, wie wenn ich mir mit einem befreundeten Unternehmer was ausmache und sage, wendets Euch an den. Das ist genauso meine Privatsache. Das ist mit Sicherheit nicht eine Sache, die die Frau Bezirksvorsteherin als Organ gemacht hat, das kann sie als Privatperson machen, wie immer sie will, also ich finde da überhaupt nichts dabei.“(ÖVP Klubobmann Florian Mauthe rückt in der Bezirksvertretungssitzung am 26.11.2015 zur „Verteidigung“ aus.)

„Ich habe mich unmittelbar nach dem Unfall an die Bewohner dieser betroffenen Stiege gewandt (offensichtlich als Bezirksvorsteherin, Anm.), ich habe alle angeschrieben und meine Hilfe angeboten. Es hat sich daraufhin eine Familie gemeldet, (….). Ich habe sie auch unterstützt, weil da war ja gar nichts mehr da, (…) Denen habe ich sehr stark geholfen (offensichtlich als Aufsichtsrätin, Anm.).“ (Veronika Mickel)

Es ist ja sehr unsymphatisch, Wohltätigkeit zu kritisieren. So unsymphatisch wollen wir wirklich nicht sein. Aber ist es in Ordnung, Menschen in Not als Bezirksvorsteherin zur Raiffeisen zu schicken, um möglicherweise Zuwendungen aus ihrem Fonds als Aufsichtsrätin zu erhalten? Sicherlich nicht! Wer garantiert, dass aus diesem Raiffeisen-Fonds nicht auch Wahlkampf finanziert wird? Daher fordern wir Veronika Mickel erneut auf, sich für eine dieser beiden Welten zu entscheiden: will sie Bürgerinnen und Bürger der Josefstadt vertreten oder möchte sie weiterhin einen international agierenden Finanzkonzern vertreten, der laut kontrast-blog.at neben Disney, McDonalds, Amazon oder Starbucks zu den 12 größten „Steuertricksern“ der europäischen Union gehört? Im Bezirksparlament hören wir immer es fehle das Geld für unsere Projekte. Hm.

Aber es ist sicherlich reiner Zufall, dass die Bezirksvorsteherin aus ihren Verfügungsmitteln gerade jener Studentenverbindung eine Spende in Höhe von € 100.- hat zukommen lassen, in der ausgerechnet ihr Ex-Chef Josef Pröll Ehrenmitglied ist: der K.Ö.H.V. Amelungia. Bei der bedürftigen Studentenverbindung muss die Bezirksvorsteherin in die Steuerschatulle greifen.

Unsere Anfrage zum Thema Raiffeisen wird schriftlich beantwortet. Wir halten Sie informiert!

 

Masterplan Mobilität Josefstadt endlich beschlossen!

Erfreuliches gibt es hingegen beim Thema Mobilität zu berichten:

Einstimmig haben die im Bezirksparlament vertretenden Fraktionen den „Masterplan Mobilität Josefstadt“ beschlossen. Das freut uns sehr, vor allem, weil nach langen Jahren der Verhandlungen eine Menge guter und vernünftiger Ziele in diesem Papier festgehalten werden. Ob es das Papier wert ist, auf dem es geschrieben steht, wird die Zukunft weisen. Ich habe da so meine Zweifel. Wir sind Klimabündnis und Fairtrade-Bezirk, haben als Bezirk die Charta für das Gehen („Walk21“) unterzeichnet und medienwirksam wurde die „Umweltcharta“ präsentiert. Doch wie heißt es schön? „Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht.“ Offensichtlich genügt es, die guten Vorsätze zu Papier zu bringen. Umgesetzt wurde von den unzähligen Ideen und Projekten bisher gar nichts!

Unbeirrt davon wollen ÖVP und SPÖ 80cm breite Gehsteige um teures Geld im Bestand sanieren, weinen nach wie vor jedem einzelnen Stellplatz nach und waren bisher nicht bereit, den vollmundigen Ankündigungen nach Reduktion des Durchzugsverkehrs auch Taten folgen zu lassen. Aber die ÖVP befindet sich hier in einem Dilemma. Auf Stadtebene werden sämtliche Initiativen der rotgrünen Stadtregierung im Gemeinderat abgelehnt, andererseits wirft die Bezirks-ÖVP der rotgrünen Stadtregierung Untätigkeit vor: 2014 wurde im Gemeinderat der „Grundsatzbeschluss Fußverkehr“ verabschiedet. Gegen die Stimmen der ÖVP. Das Fachkonzept Mobilität (Step2025). Gegen die Stimmen der ÖVP. Die Förderung von Flaniermeilen im Oktober 2016. Gegen die Stimmen der ÖVP. Und schließlich im Januar 2017 das Förderprogramm für Lastenfahrrädern. Gegen die Stimmen der ÖVP. Letzteres Beispiel ist besonders originell, weil die Bezirks-ÖVP erst vor kurzem die zuständige Verkehrsstadträtin aufgefordert hatte, ein Förderprogramm für Lastenräder zu erarbeiten. (Mehr dazu hier.)

 

Eine Befragung entscheidet über die Zukunft der Lange Gasse.

Lange-Gasse-alt-neu

Ein wichtiger Beschluss ist für die geplante Umgestaltung der Lange Gasse gefallen: noch im Mai dieses Jahres soll eine Befragung der JosefstädterInnen zwischen Lerchenfelderstraße-Strozzigasse-Josefstädterstraße und Auersperstraße die Entscheidung über die Zukunft der Lange Gasse fallen. Soll der Abschnitt zwischen Josefstädterstraße und Hugo-Bettauer-Platz zu einer Begegnungszone werden? Die Stadt Wien würde sich mit bis zu 80% an den Kosten für diesen Abschnitt der „Flaniermeile“ beteiligen, oder soll der Bezirk auf eigene Kosten rund € 200.000,- investieren, um die Lange Gasse im Bestand zu sanieren, ohne den Straßenquerschnitt zu verändern? Die Grünen haben bereits im Mai 2014 einen umfangreichen Fragebogen an ALLE BewohnerInnen der Lange Gasse geschickt (also auch an jene, die bei der kommenden Befragung kein Stimmrecht haben werden, warum eigentlich nicht?). Das Ergebnis war, dass sich 58% der Befragten eine Verkehrsberuhigung wünschen. Eine Verkehrsberuhigung, von der spätestens seit 1995 in zahllosen Konzepten, beschlossenen Anträgen und sonstigen Lippenbekenntnissen zu lesen und zu hören ist:

In der am 9. März 2015 präsentierten Umweltcharta für den 8en ist zu lesen: „Wir wollen weniger Durchzugsverkehr und mehr Verkehrsberuhigung für die Josefstadt.“

Die Bezirksvorsteherin selbst hat die Umweltcharta als ihr „Umweltprogramm für die nächsten Jahre“ bezeichnet. „Der Fußgänger und der öffentliche Verkehr sollten Vorrang genießen. Für die Josefstädter ist eine schrittweise Verkehrsberuhigung vorrangig.“ (Das Verkehrskonzept der Josefstadt 1995) „Die nichtmotorisierten Verkehrteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sollen als schwächste Gruppe bevorzugt werden, während bei den motorisierten Verkehrsbenützerinnen und Verkehrsbenützern der öffentliche Verkehr zu bevorzugen ist. Nach wie vor ist für die Josefstädterinnen und Josefstädter eine schrittweise Verkehrsberuhigung und die damit verbundene Hebung der Lebensqualität vorrangig. Der Durchzugsverkehr ist durch sinnvolle Maßnahmen zu entschärfen. (Das Verkehrskonzept der Josefstadt 2003), usw. (siehe dazu auch Masterplan Mobilität Josefstadt 2017)

Wer auch immer einen sachdienlichen Hinweis liefert, wo seit 1995 in der Josefstadt verkehrsberuhigende Maßnahmen durch die ÖVP umgesetzt wurden – ich spendiere einen Fairtrade Kaffee!

Gleichzeit bestehen ÖVP und SPÖ bei der geplanten Begegnungszone Lange Gasse, die auch einen verkehrsberuhigenden Aspekt beinhaltet, auf einer verbindlichen Ja/Nein Befragung. Die gewählten BezirksrätInnen trauen sich nicht zu, die richtige Entscheidung selbst treffen zu können, also befragt man einen (relativ willkürlich) ausgewählten Teil der Bevölkerung und will das Ergebnis umsetzen, egal was herauskommt. Wenn der Souverän sagt, es soll alles so bleiben wie es ist, sind ÖVP und SPÖ fest entschlossen, die Straße im Bestand zu sanieren. Das bedeutet, dass Gehsteigbreiten in der Lange Gasse auf keinen Fall verbreitert werden, die Durchfahrt für Radfahrende zur Josefstädterstraße verboten bleibt und der Wunsch hunderter AnwohnerInnen nach einer niveaugleichen Ausgestaltung u.a. für den wöchentlichen Biomarkt ignoriert wird. So sei das in der Demokratie, wurde argumentiert. Wir sehen das anders. Zentrales Element einer funktionierenden Demokratie ist der (möglichst salomonische) Ausgleich unterschiedlicher Interessen. Wo bleibt dieser Interessensausgleich, wenn alles so bleibt wie es ist? Wenn dieses Modell Schule macht, kann man die Bezirksvorstehung gleich abschaffen und Entscheidungen nur noch durch Befragungen treffen. Oder die 40 VertreterInnen im Bezirksparlament werden im Zufallsprinzip bestimmt, z.B. per Losentscheid. Gab es eine Befragung als die Kraftfahrzeuge den öffentlichen Raum für sich einfach in Anspruch genommen und besetzt haben? Entspricht das Belassen des Straßenquerschnitts dem Anspruch nach einer „Planung für Menschen“, nach Straße „fairteilen“?

Der dänische Stararchitekt Jan Gehl – vom ihm stammt die Umgestaltung des Times Square in New York (einer Stadt mit einem FußgängerInnenanteil von 39%, im Vergleich zu Wien mit 26%) – sagt:

„Die Politik braucht Fakten und Argumente, um sagen zu können: Nicht wir entscheiden das, die Fakten sprechen für sich. Egal welche Partei – das ist heute einfach die Art, wie in Kopenhagen Verkehrspolitik gemacht wird.“ (Interview mit Jan Gehl im VCÖ Magazin 2014-05, S. 10) In der Josefstadt entscheiden weder die Fakten, noch die gewählten BezirksrätInnen der Parteien. Die BürgerInnen werden das entscheiden und ich bin überzeugt, die Entscheidung wird weise und zugunsten der Begegnungszone ausfallen!

 

Neues aus der Florianigasse:

Visualisierung FlorianigasseBeschlossen wurde in der Sitzung auch, die Florianigasse für das Radfahren gegen die Einbahn zu öffnen. Die Florianigasse soll außerdem in das Hauptradwegenetz aufgenommen werden. So sehr wir uns über diesen Beschluss freuen, so sehr drängen wir im Zuge dieser Umsetzung auch auf eine Verkehrsberuhigung in der Florianigasse. Unser Mobilitätsexperte Martin Köck hat darüber mehrere Texte geschrieben. Es ist absolut unverantwortlich, einen streckenweise abschüssigen Radweg auf einer – vor allem in den Stoßzeiten – so stark frequentierten Ausweichroute wie der Florianigasse zu führen. Aber auch für die stadtauswärts fahrenden RadlerInnen ist der Druck durch die auf der engen Straße überholenden Autos unangenehm. Ohne eine Verkehrsberuhigung der Florianigasse (wir haben entsprechende Anträge und Vorschläge eingebracht) wird diese Verbindung nicht die erforderliche Qualität und den gewünschten Anreiz für Radfahrende bieten, mit dem ein Umstieg auf das Rad gefördert wird.(-> mehr)

 

Schanigartensaison ab 2018 verlängert! 

Und noch eine gute Nachricht gibt es: ab 2018 wird die Schanigartensaison verlängert. Das hat das Bezirksparlament auf Antrag der NEOS mehrheitlich beschlossen. Ob sich die Bezirksvorsteherin an diesen demokratischen Mehrheitsbeschluss halten wird ist allerdings fraglich. Wir haben uns bereits in der Vergangenheit für eine längere Schanigartensaison eingesetzt, wurden aber von der Allianz aus ÖVP und SPÖ überstimmt. Nachzulesen hier in einem Artikel aus dem Jahr 2015. Wir bleiben dran und werden weiter berichten.

Ich freue mich über Ihre Rückmeldung, Meinung, Lob & Tadel über unsere politischen Positionen. Demokratie lebt von unterschiedlichen Meinungen und ich bin interessiert, die Ihre zu hören. Meine kenne ich 😉 Bleiben wir im Dialog, denn wie heißt es schön: Menschen sind wichtiger als Meinungen!

Alles Liebe, Ihr

Alexander Spritzendorfer

 

One Response to “Nachlese der Bezirksvertretungssitzung vom 1. März 2017”

  1. Paul sagt:

    Super! Bitte weiterhin Druck machen und die Öffentlichkeit über die Missstände und Untätigkeit der Bezirks-ÖVP informieren!

    Mir wäre eine Verkehrsberuhigung in der gesamten Lange Gasse ja am liebsten 😉

    Wir brauchen mehr grüne Wohlfühlzonen und weniger graue zugeparkte Straßen.

    Liebe Grüße!

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