Interview aus der Novemberausgabe von „Film, Sound & Media“

Der ehemalige Musikproduzent und Künstlermanager Alexander Spritzendorfer (Spray Records) ging 2003 in die Politik, als Landesgeschäftsführer der Grünen nach Kärnten und ist heute Klubdirektor in Niederösterreich. Jetzt möchte er als Gemeinderat für die Grünen mit dem Themenschwerpunkt Kultur nach Wien zurückkehren. Sound & Media sprach mit dem Kandidaten.

Nach Ihrem politischen Engagement in Kärnten und Niederösterreich, zieht es Sie jetzt nach Wien, warum?

Nach 3 Jahren als Geschäftsführer in Kärnten und 2 Jahren Klubsekretär in Niederösterreich fühle ich mich bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen und für einen Sitz im Wiener Gemeinderat zu kandidieren. Ich kenne die Szene der Kulturschaffenden und deren Bedürfnisse. Ich wünsche mir, dass sich die Grünen als die Partei positioniert, die sich konkret um die Anliegen der Szene kümmert und Kulturpolitik in Wien aktiv mitgestaltet.

Warum jetzt nach Wien? Ich bin Wiener habe die letzten 5 Jahre in Kärnten und Niederösterreich für die Grünen gearbeitet und möchte jetzt gerne wieder in der Stadt arbeiten, in der ich geboren bin, in der ich lebe und die ich liebe.

Was möchten Sie in Wien verändern?

Wien ist in vieler Hinsicht eine besondere Stadt. Am Schnittpunkt von Nord und Süd, von Ost und West liegt Wien mitten im Herz Europas und hat eine jahrhunderte alte Geschichte als Drehscheibe, Treffpunkt und Schmelztiegel vieler Menschen aus allen Himmelsrichtungen und Kulturen. Das ist ein unglaubliches Kapital an Kreativität. Ich will hören und sehen was aus dieser Mischung kulturell entsteht und nicht davor in Sicherheit gebracht werden, wie manche Parteien das wollen. Aufgabe einer aktiven Kulturpolitik ist es doch, über das Schöne und Wahre die positiven Energien von Menschen anzusprechen. Wenn wir es zulassen, dass in Menschen ausschließlich Angst geschürt wird und negative Kräfte angesprochen werden, dass aus Stolz über Vielfalt Phobie vor allem Fremden wird, dann ist das Grund zur Sorge, dann müssen wir das ändern!

Was heißt das konkret: ich möchte die U-Bahn für Künstlerinnen und Künstler öffnen damit die vielen Arten von Musik auch diesen öffentlichen Raum erobern können. Ich halte es für unerträglich, dass in einer Stadt, die für sich beansprucht eine Kulturhauptstadt zu sein, die Hauordnung der Wiener Linien „Hausieren & Musizieren“ in einem Atemzug nennt und Musik verbietet. Hier sind uns Städte wie Paris, London oder Madrid weit voraus. Wien läuft Gefahr seinen Ruf als Weltstadt der Kultur zu verlieren, wenn nicht neue innovative Wege beschritten werden. Dazu gehört auch eine Umverteilung des € 208 Mio. Kulturbudgets in Wien.

Ist das Thema Kultur nicht auch für die Grünen eine „Orchideendisziplin“?

Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass es so ist. Kulturpolitik ist aber enorm wichtig und berührt als Querschnittsmaterie alle gesellschaftlich relevanten Bereiche. Wir brauchen mehr Kultur in der Bildung, weil ohne Bildung auch die Kultur verkommt. Kulturpolitik soll gestalten, nicht nur verwalten. Interessanterweise haben die meisten politischen Bewegungen erkannt, wie wichtig Kulturpolitik ist. Selbst Kärnten macht über seine Kulturpolitik Gesellschaftspolitik, fördert halt in erster Linie Chöre, Trachtenvereine und damit ein völlig rückwärts gewandtes Gesellschaftsbild. Kulturpolitik ist natürlich eine Verteilungsfrage, was und wer finanziell gefördert wird und was und wer nicht. Mittlerweile macht Niederösterreich mit einem halb so großen Budget wie Wien eine sehr spannende Kulturpolitik. Die Grünen würden Kulturgelder in Wien sicherlich anders einsetzen, als es derzeit der Fall ist.

Wien hat den Ruf einer Kulturstadt und zieht viele internationale Gäste an. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Kultur und Wirtschaft?

Wien importiert über seine Kulturpolitik Tourismus. Das ist wirtschaftlich sicherlich wichtig. Wien sollte aber auch daran arbeiten, seine Kreativwirtschaft zu exportieren und damit meine ich natürlich nicht, möglichst viele Künstlerinnen und Künstler zum Auswandern zu zwingen, weil sie sich hier nicht die nötige wirtschaftliche Basis erwirtschaften können. Es ist doch dramatisch, dass das mittlere Äquivalenzeinkommen der Kunstschaffenden nur knapp über der Armutsgefährdungsgrenze liegt. Nicht zuletzt nimmt unsere Gesetzeslage zu wenig Rücksicht auf die Beschäftigungsmodelle von Künstlerinnen und Künstlern. Wir haben ein schlechtes Künstlersozialversicherungsgesetz und ein System, das nicht flexibel genug darauf eingeht, dass nach Zeiten guter Einkommenslagen auch Zeiten mit geringem Einkommen folgen. Alle Einstufungen orientieren sich an den fetten Monaten. Für viele Künstlerinnen und Künstler bedeutet das einen permanenten Stress. Wir müssen aber Kreativität fördern, nicht Existenzängste schüren. Dennoch wird meiner Meinung nach das wirtschaftliche Potential österreichischer Kulturproduktion unterbewertet. Der österreichische Film ist mit seinen großartigen künstlerischen Erfolgen der letzten Jahre ein gutes Beispiel: hier wurde trotz geringer Fördermittel eine ausgezeichnete Basis gelegt. Jetzt stellen wir uns vor, es gelingt noch ein richtiger Blockbuster und Österreich ist wieder Filmland. Im Export österreichischer Kulturproduktion, Film, Musik, Literatur liegt ein wirtschaftliches Potential das wir bei weitem nicht ausnutzen. Der Film ist mit seinen Plänen für einen Österreichischen Filmförderungsfond ÖFFF bereits weiter als die Musik, für die wir dringend bessere Rahmenbedingungen für Förderungen – Stichwort Musikförderungsgesetz – benötigen.

Vermissen Sie das Music Business gar nicht?

Alle meine Freunde berichten mir, ich hätte das Music Business zum richtigen Zeitpunkt verlassen. Wenn ich mir ansehe, wie schwierig es geworden ist, als KünstlermanagerIn oder MusikproduzentIn den Lebensunterhalt zu bestreiten, dann vermisse ich es nicht. Das war in den 90er Jahren schon schwierig genug und ist seither sicher nicht leichter geworden. Ich habe den Eindruck, dass ich die Musikszene und Kunstschaffende in einer politischen Funktion viel besser unterstützen kann, als es mir früher jemals möglich gewesen wäre. Natürlich verbinden mich viele persönliche Kontakte und Freundschaften mit dem Musikgeschäft. Am 13. November werde ich auf jeden Fall Count Basic und Hot Pants Road Club im Gasometer besuchen und das jährliche Alkbottle Weihnachtskonzert ist für mich ein Fixpunkt. Die angenehmen und lustigen Seiten des Rock´n`Roll genieße ich also nach wie vor. Im nächsten Jahr plane ich außerdem ein kleines „Spray Records“ Jubiläum, aber mehr verrate ich noch nicht!

Was waren Ihre größten Erfolge mit Spray Records?

Also gerne erinnere ich mich an die Erfolge mit Count Basic in Amerika. Wir sind monatelang jeden Freitag gespannt vor dem Faxgerät gesessen und haben fieberhaft die aktuelle Chartplatzierung erwartet, das war richtig spannend. 11 Wochen Nr. 1 der NAC Charts und weit über 100,000 verkaufte CDs waren schon schöne Erfolge. Grissemann & Stermann haben ihre erste CD und Kruder & Dorfmeister ihre erste Mix CD auf Spray veröffentlicht. Spray war der Zeit mit seinen Veröffentlichungen oft voraus. Das hat sich zwar nicht immer in Verkaufszahlen niedergeschlagen aber macht mich schon etwas stolz. Schöne Erfolge hatten wir aber auch mit Papermoon, Alkbottle oder Waldeck. Und besonders gerne bin ich auf die Tourneen mitgefahren, das vermisse ich. Count Basic in Novosibirsk oder Waldeck in Paris waren besondere Erfahrungen, die ich nicht missen möchte.

Wie ist Ihre Prognose für die Wiener Gemeinderatswahl 2010?

Ich hoffe natürlich, dass ich das Vertrauen bekomme, die Kulturpolitik der Wiener Grünen als Gemeinderat mit gestalten zu können. Es ist wahrscheinlich, dass die SPÖ ihre absolute Mandatsmehrheit verliert und sich einen Koalitionspartner wird suchen müssen. Für mich persönlich wäre es das schlimmste, wenn die schwarze Umfärbung auch noch Wien erreichen würde und großkoalitionär rot/schwarz regiert würde. Das können nur starke Grüne verhindern. Der nächste Bürgermeister, oder die nächste Bürgermeisterin in Wien wird von der SPÖ gestellt werden, soviel ist klar. Spannend wird daher ausschließlich die Frage nach der Koalition und ob erstmals rot-grün möglich wird. Für die Kultur in dieser Stadt wäre das sicherlich das Beste!

Alexander Spritzendorfer begann 1981 als Konzertveranstalter und leitete von 1986 bis 1999 das Label Spray Records, von 1999 bis 2003 Intonation Recordings. 2004 wurde er Landesgeschäftsführer der Grünen Kärnten. Seit 2007 ist Alexander Spritzendorfer Klubdirektor der Grünen in Niederösterreich.

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