Allen Zweiflern zum Trotz: wie Jaime Lerner eine ökologische Musterstadt bürgermeisterte.

Jaime Lerner, ehem. Bürgermeister von Curitiba, Brazil

Es geht schnell, dass wir in Österreich auf Schwellenländer wie Brasilien herabblicken und meinen, bei uns sei alles besser. Dabei gibt es auch Beispiele, die durch Mut und Kraft beeindrucken und von denen wir uns ein Scheibchen abschneiden können.Auf eine besonders bemerkenswerte Entwicklung stößt man in der südbrasilianischen Stadt Curitiba. Die Hauptstadt von Paraná beeindruckt durch vorbildliche Stadtplanung, ein bemerkenswertes öffentliches Verkehrssystem, funktionierende Recyclingprogramme und ihre zahlreichen Parkanlagen. Curitiba ist – dank ihres langjährigen und mutigen ehemaligen Bürgermeisters Jaime Lerner – eine ökologische Musterstadt. Der gelernte Architekt setzte auf öffentlichen Verkehr mit großen Doppelgelenksbussen und reduzierte den Autoverkehr drastisch, indem er zahlreiche Durchzugsstraßen für den Autoverkehr sperrte. Heute verfügt jeder Einwohner Curitibas statistisch über 54 Quadratmeter Grünfläche. In der Josefstadt ist es vergleichsweise nicht einmal 1 Quadratmeter. Vor Lerners Amtsantritt kamen auf jede Bewohnerin gerade einmal 0,5 Quadratmeter Grünfläche. Bereits 1996 wurde Curitiba für seine bermerkenswerte Stadtplanung und Entwicklung als „innovativste Stadt der Welt“ geehrt.

Dass es sich hier nicht um die verschrobenen Ideen eines ökologisch denkenden Visionärs handelt, beweist das Interesse der Wirtschaft an dieser aufblühenden Stadt. Das Manager Magazin widmete Curitiba im Juni 2005 einen Artikel, in dem darauf hingewiesen wird, dass Investitionen in dieser Stadt nicht nur sinnvoll, sondern wirtschaftlich profitabel sind.

Dabei wäre auch Curitiba um ein Haar ganz dem damaligen Trend entsprechend zur autogerechten Stadt geworden. In den 60er Jahre wurden viele brasilianische Städte ganz nach amerikanischem Vorbild autogerecht erneuert. Eine junge Architektengruppe rund um Jaime Lerner wollte einen anderen Weg beschreiten. 1971 wurde Lerner Bürgermeister von Curitiba. Eine seiner ersten Initiativen war es, die Altstadt zu einer Fußgängerzone zu machen. Geschäftsleute leisteten erbittert Widerstand. Die Fußgängerströme nahmen zu und bald sprachen sich ebendiese Geschäftsleute für eine Erweiterung der Fußgängerzone aus.

In der Rushhour von Curitiba fährt alle 30 Sekunden einer der mächtigen Doppelgelenksbusse von Volvo, mit einem Fassungsvermögen von 270 Passagieren. Täglich nutzen 2 Millionen Menschen die öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt. Schneller als mit den Öffis kann man sich in Curitiba nicht bewegen.

Dem Müllproblem begegnete Jaime Lerner ebenfalls kreativ: da die Müllwägen nicht durch die engen Gassen der Favelas kamen, holte Lerner kurzerhand auch die Ärmsten an Bord seines Müllentsorgungsprogramms. Die BewohnerInnen liefern ihren Müll ab und erhalten dafür frisches Gemüse.

In den letzten 30 Jahren wurden in Curitiba über 1 Million Bäume gepflanzt und trotz des explosiven Bevölkerungswachstums ist es gelungen, die Grünflächen in der Stadt von zunächst 0,5 auf rund 54 Quadratmeter pro BewohnerIn zu erweitern!

Natürlich hat die 2 Millionen Stadt, viele Probleme: die vergleichsweise hohe Lebensqualität zieht arme Zuwanderer an, trotz aller Maßnahmen nimmt der Straßenverkehr ständig zu und die Recyclingquote sinkt. Um die zukünftigen Probleme großer Städte zu lösen, braucht es mehr PolitikerInnen vom Format eines Jaime Lerner, aber auch ein echtes Umdenken der Bevölkerung.

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